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Gero Nawroth, Fachartikel für „Neue Landwirtschaft“, dem Fachmagazin für den Agrarmanager, (Ausgabe 3/2008)

Risikomanagement aktuell: Kurzfristige Geldanlagen und Liquidität.

Die internationale Finanzmarktkrise kommt nicht aus den Schlagzeilen. Auch für den deutschen Agrarsektor werden Auswirkungen sichtbar. Betroffen sind Kreditkunden deren Zinsen steigen, aber auch Anleger, die sich Sorgen um die Sicherheit ihres Geldes machen. Agrarfinanzberater GERO NAWROTH aus Berlin analysiert Anlageformen und zeigt wie man mit kurzfristigen Geldanlagen die Liquidität steuern kann.

Die günstigen Preisentwicklungen für die meisten Agrarprodukte in den letzten Monaten spiegeln sich nun auch erfreulicherweise in den jüngsten Jahresabschlüssen, Geldrückberichten bzw. auf den Betriebskonten der Agrarunternehmen wider.
Neben anstehenden Investitions- und Finanzierungsentscheidungen geht es somit zunächst häufiger darum, mögliche überschüssige Liquidität für einen kurzfristigen Zeitraum, von einem bis zu zwölf Monaten, sicher und rentierlich zu parken.
Geldmittel, die im Unternehmen kurzfristig verfügbar sind, können gewinnbringend angelegt werden. Dabei ist aber auszuschließen, dass nicht bereits übermorgen zusätzlicher Finanzierungsbedarf besteht. In der Regel muss eine Zwischenlösung gefunden werden, bei der einerseits Geld ohne (große) Risiken angelegt werden kann und andererseits weitestgehend flexibel abrufbar bleibt.
Hierfür bieten Banken häufig folgende Produktarten an:
• Geldmarktfonds,
• Zertifikate,
• Spareinlagen und
• Termingelder.

Konservativ mit Geldmarktfonds

Grundsätzlich sind Geldmarktfonds eine konservative Anlageform. Sie kosten selten einen Ausgabenaufschlag, sammeln Gelder zum kurzfristigen Parken ein und investieren es in Geldmarkttitel oder liquide Anleihen mit sehr kurzen Laufzeiten. Zu den Geldmarktfonds gehören z.B. Schuldscheindarlehen und Anleihen bester Bonität, die eine maximale Restlaufzeit von zwölf Monaten haben. Da Anleihen kurz vor der Rückzahlung immer nahe ihres Nennwerts von 100 Prozent notieren, sind größere Kursschwankungen selten.
Als Vorteil von Geldmarktfonds gegenüber Tagesgeldkonten wäre zu nennen, dass stets die aktuellen Marktzinsen eingepreist sind, während sich Anbieter von Tagesgeldkonten häufig Zeit lassen, die Zinsen nach oben anzupassen.
Doch bei der Wahl der Geldmarktfonds ist Vorsicht angebracht! Viele Fonds wählen riskantere Strategien, als einem Geldmarktfonds angemessen sind. Dies gilt auch für sogenannte geldmarktnahe Fonds, da sie zum Beispiel strukturierte Finanzprodukte oder variabel verzinste Anleihen enthalten können: Um mit den attraktiven Renditen von Tages- und Festgeldkonten mitzuhalten, investieren viele in sogenannte Asset Back Securieties (ABS). Diese Papiere beziehen sich auf Forderungen aus Hypotheken, Konsumentenkrediten oder Leasingverträgen. Auch wenn sie nicht auf USHypotheken laufen sollten, leiden diese Papiere teilweise z. Zt. unter deutlichen Kursabschlägen und möglicherweise illiquidem Handel!
Gerade die Folgen der aktuellen Verwerfungen auf den weltweiten Finanzmärkten haben nicht nur Privatanleger sondern auch umsichtige landwirtschaftliche Unternehmer zunehmend verunsichert. Wenn beispielsweise die Ratingagentur Standard & Poors (S&P) die Bonität von Wertpapieren mit einem Volumen von gut einer halben Billion Dollar(!) infrage stellt und gleichzeitig auf die Finanzinstitute weltweit eine Verlustwelle von 265 Mrd. Dollar zurollen sieht (Handelsblatt 1. Februar 2008) ist es angezeigt, beim Bankengespräch vielleicht erstmalig genauer danach zu fragen, warum der Bankberater welche Anlageprodukte offeriert und wie es mittlerweile grundsätzlich mit der Bonität dieser Produkte und auch des eigenen Hauses bestellt ist? Wenn man bedenkt, dass Banken einerseits in einer zunehmenden Wettbewerbsintensität stehen, die Zinsmargen im Kunden(kredit-)geschäft sich weiter verringern und den Zinsüberschuss belasten. Und andererseits versucht wird, dieser Entwicklung u. a. mit einem weiter steigenden Provisionsertrag, der von einem expansiven Wertpapiergeschäft getragen wird, entgegen zu steuern, dann kann es nicht mehr verwundern, dass ursprünglich sicher geglaubte Anlageprodukte plötzlich auch einem Verlustrisiko unterliegen können. So war es eine bis dahin für sicherheitsorientierte kurzfristige Anleger neue Erfahrung, als im Jahr 2007 einige Geldmarktfonds in ein dickes Minus rutschten und – schlimmer noch – sogar zeitweise vom Kauf und von der Rücknahme ausgesetzt wurden.

Kunstprodukt Zertifikat

Ähnlich erging es aber auch vielen Besitzern der seit einigen Jahren boomenden Zertifikate. Zertifikate sind synthetische, d. h. künstliche Produkte, die von traditionellen Finanzinstrumenten wie Aktien, Anleihen, Devisen oder Rohstoffen abgeleitet werden. Dem großen Vorteil, dass derartige Derivate auf die jeweiligen Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten werden können und damit „grenzenlos“ flexibel sind, steht ein entscheidender Nachteil entgegen: Im Handel zwischen Banken entstehen – wie die Subprime-Krise deutlich gezeigt hat – Kontrahenten- und damit Bonitätsrisiken und dass obwohl sie auch an Börsen gehandelt werden. Denn Zertifikate sind von Banken emittierte Schuldverschreibungen. Auch hier kam es, als im Spätsommer die Aktienmärkte weltweit auf Talfahrt gingen, zu stundenlangen Handelsausfällen, weil die technischen Systeme vieler Banken schlicht überlastet waren. Hilflos mussten Anleger zuschauen, wie sie immer tiefer in die Verlustzone rutschten, weil sie ihre Zertifikate nicht mehr rechtzeitig los wurden.
Hinzu kommt, dass den Bankmitarbeitern im Vertrieb oftmals eine tiefer gehende, genaue Merkmalskenntnis der Produkte fehlt, die ihnen die kundenfernen Entwicklungsabteilungen ihrer Häuser zum Verkauf empfehlen bzw. vorsehen.

Risikolose Spareinlagen und Termingelder


Spareinlagen und Termingelder sind dagegen in der Regel risikolos (natürlich unter Beachtung der Bonität der Bank) und der Landwirt weiß vorher genau, welchen Bruttozinsertrag vor Steuern er vereinnahmen kann. Dieser sicheren Kalkulationsbasis steht allerdings eine gewisse Unflexibilität einerseits und die Beachtung von Kündigungsfristen andererseits entgegen. So müssen in fast allen Fällen bei Spareinlagen drei Monate Kündigungsfrist beachtet werden. Dennoch gibt es auch hier mittlerweile neben dem klassischen Sparbuch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Sparformen mit teilweise lukrativen Konditionsangeboten. Insbesondere für Neukunden bzw. neues Geld sind einige Banken bereit, ordentliche Zinsen zu bezahlen.

Wie sollte der Landwirt vorgehen?

1. Zunächst einmal sollte der Leiter eines Agrarunternehmens sich darüber klar werden, dass er die stetig steigende Produktpalette insgesamt nicht mehr ohne professionelle Hilfe übersehen kann. Er ist häufig auch überfordert, genau zu verstehen, um was für ein Produkt mit welchen Merkmalen und möglichen Auswirkungen es sich im Einzelfall handelt (Was ist z.B. ein „OptiBonusProtect-Zertifikat“?). So gibt es mittlerweile in Deutschland über 7.000 zum Vertrieb zugelassene Fonds; vor einem Jahr waren es noch 6.000. Noch rasanter ist die scheinbar unbegrenzte Entwicklung bei Derivaten für Privatanleger, also Zertifikaten und Optionsscheinen: Große Anbieter bringen täglich hunderte neuer Produkte auf den Markt; an deutschen Börsen werden bereits rund 275.000 dieser Papiere gehandelt – Tendenz steigend.
2. Machen Sie sich bewusst, dass Sie mit einer Geldanlagefrage nicht als Bittsteller zur Bank kommen. Sie sollten davon ausgehen, dass Sie der Bank „einen Kredit geben“; und zwar mit ihrem hart erarbeiteten Eigenkapital! Gehen Sie also entsprechend kritisch vor und vergleichen Sie die Angebote unterschiedlicher Anbieterbanken. Geld „nimmt“ jede Bank gern. Hierbei sollten ebenfalls die anfallenden Gebühren und sonstigen Kosten geklärt und verglichen werden: Fallen z.B. Ausgabe- bzw. Rückgabeaufschläge, Verwaltungsvergütungen, Depotentgelte oder erfolgsabhängige Vergütungen an? Die Gesamtrendite der Geldanlage kann dadurch deutlich belastet werden.
3. Sofern das kurzfristig geparkte Geld später zur Liquiditätssicherung des Agrarunternehmens verwendet bzw. benötigt wird, verbietet sich bekanntlich jegliche spekulative Anlageform, sei sie auch noch so „chancenreich“! Denn es gilt weiterhin die alte betriebswirtschaftliche Binsenweisheit: Liquidität geht vor (möglicher) Rentabilität.
4. Vor dem Hintergrund der aktuellen Kapitalmarktentwicklungen ist die Wahrscheinlichkeit einer kurzfristigen Erhöhung von Kreditzinsen relativ hoch. Deshalb sollte mit der Bank bei bestehenden Darlehensverträgen auch über die Möglichkeit von außerordentlichen Sondertilgungen gesprochen werden. Diese sind wirtschaftlich meist interessanter als vermeintlich (einmalige) hohe Habenzinsen und es wird sich auch hierbei einmal mehr zeigen, wie beweglich in diesen Zeiten Ihre „Haus“-Bank ist.

Autor: Dipl.-Ing. agr. Gero Nawroth
Geschäftsführender Partner
AGRARCONSULT
Nawroth &Partner Unternehmensberater



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