> zurück zur Übersicht

Gero Nawroth, Fachartikel für „Neue Landwirtschaft“, dem Fachmagazin für den Agrarmanager, (Ausgabe 04/2006)

Agrarkredit im Wandel?

Worauf sich Agrarunternehmen zukünftig einstellen sollten

> Einleitung
> Aktuelle Situation bei den Banken
> Besonderheiten des Agrarkredites
> Dilemma der investitionsbereiten Landwirtschaft
> Kommunikation als zusätzliches Problem
> Alternative Finanzierungsformen
> Fazit und Ausblick

Die Landwirte sehen wieder optimistisch in die Zukunft. Ein entscheidender Indikator dafür ist die gewachsene Investitionsbereitschaft in der Landwirtschaft seit demRegierungswechsel“ sagte Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer anlässlich der Vorstellung des Agrarpolitischen Berichtes 2006.

Er stützte sich bei dieser Aussage auf das Konjunktur- und Investitionsbarometer Agrar von Dezember 2005/ Januar 2006, welches die aktuelle und zukünftige wirtschaftliche Stimmungslage und die Investitionsbereitschaft in der Landwirtschaft objektiv und realistisch wieder geben soll. Demnach planen insgesamt 46 % aller Landwirte in Kürze (innerhalb der nächsten sechs Monate) in mittel- und langfristiges Anlagevermögen zu investieren. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es (nur) 41%. Allerdings waren im Jahr 2003 auch schon mal 48% und im Jahr 2002 sogar 56% der befragten Landwirte investitionswillig!

Hieraus ergibt sich zunächst die Frage, inwieweit sich diese jeweilige Stimmungslage in tatsächlich realisierten Investitionen bestätigt hat.

Gehen wir davon aus, dass nach wie vor der größte Anteil des Fremdkapitals für Investitionen durch Banken (Kreditinstitute) bereitgestellt wurde, dann ist festzustellen, dass das Bestandsvolumen aller Kredite der Banken in Deutschland an die Land- u. Forstwirtschaft, Fischerei seit über sechs Jahren nahezu unverändert bei rund 32 Mrd. € liegt. Das Nettoinvestitionsvolumen (als Saldo der Bruttoanlageinvestitionen und der Abschreibungen) ist – mit mehr als € 1 Mrd. jährlich – negativ. Das heißt in der Landwirtschaft insgesamt wird weniger investiert als desinvestiert!

Kann hierfür – neben dem sektorspezifischen Strukturwandel – möglicherweise auch ein sich sukzessiv verengender Zugang der Landwirtschaft zum Kapital- bzw. Kreditmarkt eine Ursache sein? Und was wären die Gründe dafür?

Lassen Sie uns folgender These nachgehen:
„Das zugängliche Fremdkapital wird für die Landwirtschaft knapp.“

Das wurde bisher vom Berufsstand verneint. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern kam zu dem Ergebnis, „dass es für die Landwirtschaft keine grundsätzliche Kreditverknappung gäbe und das tendenziell Kreditinstituten, die sich nur in geringem, eher abnehmenden Umfang im Agrarkreditgeschäft engagieren, Institute gegenüber stünden, die bereit und in der Lage sind, die frei werdenden Marktanteile aufzunehmen“ (Odening).

Da es sich bei dieser Untersuchung in erster Linie um die individuelle Einschätzung von (noch) im spezialisierten Agrarkreditgeschäft tätigen Bankern handelte, erscheint es sinnvoll, sich die Entwicklung des praktizierten Agrarkreditgeschäftes der Banken in den vergangenen fünfzehn Jahren kurz vor Augen zu führen:
Entwicklung des „Agrarkredites“

Die Agrarkreditinstitute der alten Bundesländer konnten Anfang der Neunziger Jahre mit ihrer bis dahin vorhandenen (traditionsreichen) Erfahrung in diesem Geschäft keine sichere Einschätzung der Zukunftsfähigkeit der bestehenden und sich neu gründenden Unternehmen in den Neuen Bundesländern abgeben. Zu groß waren die vielfältigen äußeren Unterschiede (Größen- und Besitzverhältnisse) einerseits, sowie die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen (LwAnpG, Vermögensauseinandersetzung, Altschuldenproblematik etc.) andererseits im Vergleich zu ihrer bisherigen Klientel.

Getrieben von der positiven Geschäftsentwicklungserwartung (auch basierend auf begünstigenden Sonderförderprogrammen) machten alle Agrarfinanzierer neue Erfahrungen. Nicht zuletzt auch der Einstieg der bisher in diesem Bereich nicht engagierten  privaten Großbanken brachte dem Agrarkreditgeschäft einen kräftigen Impuls und Know-how-Zuwachs. Für die landwirtschaftlichen Betriebe entwickelten sich Geschäftsbeziehungsverhältnisse, wie sie bis dahin überwiegend erst der mittelständischen Firmenkundschaft zuteil wurden. So wurden z. B. nicht nur neue Kreditformen entwickelt, sondern auch Sicherheitsabsprachen vereinbart, die bis dahin in der Landwirtschaft praktisch keine Rolle spielten. In der Landwirtschaft der alten Bundesrepublik herrschten die bekannten grundbuchlichen Besicherungsmöglichkeiten vor.

Bereits zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich der Agrarkredit – insbesondere in den neuen Bundesländern – zum zukunftsgerichteten „Objektkredit“. Das heißt das Hauptaugenmerk der Agrarkreditspezialisten lag auf der Größe der Ausstattung mit Produktionsfaktoren und den hieraus erwarteten Liquiditätsrückflüssen (aus Umsätzen und Subventionen) zur Bedienung der Kapitaldienstverpflichtungen.

Dieses Konzept der Banken hatte anfänglich Erfolg. Allerdings stellte sich bereits nach wenigen Jahren heraus, dass dies alleine keine langfristige Strategie sein kann, um weiter neues Geschäft zu akquirieren, da relativ schnell die Marktanteile verteilt und gefestigt waren. Auch mussten einige Banken „Lehrgeld zahlen“, da sie zu lange am ausschließlichen Leitbild des „bäuerlichen Familienbetriebs“ festhielten und dieses einfach versuchten auf die Verhältnisse in den Neuen Ländern zu übertragen. Hohe Einzelwertberichtigungen waren  bereits zu diesem Zeitpunkt zum Teil die Folge dieser Einschätzung.

Nach nunmehr gemachten Erfahrungen mit den tatsächlich handelnden Personen vor Ort wurde der Agrarkredit somit schließlich weiter entwickelt zum „Managementkredit“ bei dem echte Projektfinanzierungen begleitet wurden. Diese Finanzierungsform stellt die höchsten Ansprüche sowohl an das Management des Agrarunternehmens aber auch an die begleitende Bank und deren Sachverstand in diesem Segment. Da oftmals gerade hier die zu finanzierenden Investitionsvolumina besonders groß und auch die Risiken entsprechend hoch sind, blieb dieses Geschäft überwiegend den privaten Großbanken bzw. dem genossenschaftlichen Spitzeninstitut oder einigen Landesbanken vorbehalten, die damit gute wirtschaftliche Erfolge hatten. 

Seit Mitte der Neunziger Jahre machte sich dann allerdings ebenfalls der verstärkt einsetzende Strukturwandel in der „Bankenlandschaft“ bemerkbar. Ständige Strategiewechsel und immer höhere Ertragserwartungen der Bankmanager an das traditionelle Kreditgeschäft – ausgelöst durch überproportionale Ergebnisbeiträge der aufkommenden Investmentbankingsparte mit globalem Bezug - führten dazu, dass die bisherigen Geschäftsmodelle hinterfragt wurden.  Dies hatte (und hat) auch Auswirkungen auf die Akteure im Agrarkreditgeschäft: So wurden in allen drei Bankensektoren bis dahin aufgebautes Engagement  entweder zurückgefahren oder teilweise sogar komplett (wieder) eingestellt. Zu nennen sind hier (beispielhaft) für den öffentlich-rechtlichen Bankensektor der Rückzug (der insbesondere auch in Brandenburg und Mecklenburg stark engagierten) West-LB, im genossenschaftlichen Sektor die Einstellung des gesamtdeutschen Neugeschäftes der traditionsreichen DG-Hyp sowie im privaten Bankensektor die Komplettauflösung der Agrar-Fachabteilungen bei den Großbanken.

Auch die Hoffnungen, die sich aus der Liberalisierung des gemeinsamen Bankenmarktes der EU ab 1993 auch für das Agrarkreditgeschäft bzw. die Landwirtschaft ergaben, haben sich nicht erfüllt.

Aktuelle Situation bei den Banken

Diese Entwicklung ist heute keinesfalls abgeschlossen! Im Gegenteil, Banken müssen weiter Kosten senken, da kaum mit risikoadäquaten größeren Ertragszuwächsen im mittelständischen Firmenkundengeschäft zu rechnen ist und neue aufsichtsrechtliche Vorgaben („Basel II“) zu einer stärkeren Kontrolle zwingen. Neben Fusionen und der Verringerung/Verkleinerung der Bankfilialen vor Ort wird bankintern hierauf mit erheblichen Anstrengungen zur Standardisierung (Retail) und Automatisierung (Internetbanking)  reagiert, welche zwangsläufig zu einer eingeschränkten Produktpalette führen und wenig Individualgeschäftsspielraum lassen. Somit wird zukünftig auch das weitere Vorhalten von landwirtschaftlichem Fach-Know-how in einigen Banken immer fraglicher.

Das interne Organisationsprinzip des in Deutschland weiterhin vorherrschenden Universalbanktyps widerspricht grundsätzlich einer speziellen Branchenanpassung (oder -ausrichtung); für zukünftige Ertragserwartungen der Banken im Allgemeinen ist die Landwirtschaft kein bedeutsames, eigenes Segment mehr. Selbst bei europäischen Instituten, die sich einst schwerpunktmäßig dem Agrarsektor verpflichtet fühlten, nimmt dessen Bedeutung im eigenen Gesamtgeschäft stark ab. So hat sich z. B. bei der niederländischen Rabobank, die einen Marktanteil von ca. 90% am gesamten niederländischen Agrarkreditgeschäft auf sich vereint, dieser Anteil am Kreditgeschäft der Bank in den letzten zehn Jahren auf nur noch ca. 11% mehr als halbiert.

Besonderheiten des Agrarkredites

Prägend für den Agrarsektor ist bekanntlich seine starke agrarpolitische Abhängigkeit. So ist davon auszugehen - u. a. aufgrund der jüngsten  Reformbeschlüsse – dass einerseits die Produktpreisschwankungen zunehmen und andererseits das Subventionsvolumen staatlicher Transferzahlungen weiter abnehmen wird. Dies erschwert die realistische Einschätzung und Bewertung von eingereichten Businessplänen als Grundlage für Investitionsanfragen. Konkret haben ebenfalls u. a. die komplizierten EU-Rechtsvorgaben der Umstellung auf die entkoppelte Betriebsprämie teilweise direkten Einfluss auf Besicherungsmöglichkeiten des Agrarkredites. Bisherige, gängige Sicherheitsabsprachen für kurzfristige Kredite (z. B. dem Kontokorrent)  müssen einer neuen Bewertung unterzogen werden: Zwar sind die betriebsindividuellen Zahlungsansprüche handelbar und damit auch grundsätzlich abtretbar – Banken (und andere Kreditgeber) können und werden sich den Anspruch auf Auszahlung der Betriebsprämie abtreten lassen. Auch wäre eine Verpfändung von Zahlungsansprüchen möglich. Deren rechtlicher Bestand im Verwertungsfall dürfte allerdings umstritten sein. Kreditinstitute sind sicher gut beraten, dieser Sicherheit intern keinen harten Sicherungswert beizumessen. Dem stehen faktische Gründe entgegen: So ist die Aktivierung nur über entsprechenden Flächennachweis möglich, es gibt keine Genehmigungsinstitution (Gefahr der Mehrfachabtretung), es gibt keine Anforderungen über die Art des Handels (d. h. jederzeitiger Handel „am Hoftor“ möglich) und der Übernehmende muss Betriebsinhaber sein. Als sachliche Gründe für ein vorsichtiges Vorgehen kommen hinzu: Die tatsächliche Zahlung erfolgt mit erheblicher zeitlicher Verschiebung, es müssten Risikoabschläge für die mögliche (Nicht-) Einhaltung der Cross-Compliance-Regelungen vorgenommen werden und der erwartete „Verfall“ der Preise für Zahlungsansprüche im Zeitablauf bis 2013 müsste berücksichtigt werden. Deshalb kommt diese Besicherungsart für eine Bank ausschließlich als begleitende Unterlegung für bisherige Kreditabsprachen „auf gegenseitiges Vertrauen“ infrage. Keinesfalls stellt sie ein geeignetes Instrument der Unterlegung für mittel- oder gar langfristige Investitionskredite dar, wie doch häufiger von Beratern zu hören ist!

Desweiteren wurde mit Einführung der MAK (Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft) durch die strikte Trennung des Kreditentscheidungsprozesses in der Bank in den (sogenannten) Marktbereich (Kundenakquise und Geschäftsanbahnung) und den Marktfolgebereich (Kreditaufbereitung und Entscheidung) die bisherige Kreditentscheidungskompetenz der Kundenbetreuung stark eingeschränkt. Dies gilt aufsichtsrechtlich bis in die Geschäftsleitungsebenen und führt manchmal dazu, dass der Marktbereich gerne ein Kreditgeschäft machen „will“ aber nicht „kann“, weil er nicht „darf“. Die jetzt in Folge der Basel II-Empfehlungen eingeführten Bonitätsprüfungsverfahren (Rating) in Folge der Basel II – Empfehlungen machen die Einordnung (in eine Ratingklasse) zwar grundsätzlich transparenter, d. h. objektiv überprüfbarer, sie sind aber eben nicht allein entscheidend für oder gegen eine Kreditvergabe. Selbst bei einer Bank, die sich möglicherweise nach außen sogar strategisch für den Agrarsektor positioniert hat, kann u. a. die mittlerweile, ständige,  und zwar negative Medienpräsenz (BSE, MKS, Nitrofen, Dürre, Hochwasser, Schweinepest, Geflügelgrippe etc.) bei den Mitarbeitern des Marktfolgebereiches (teilweise mit oder ohne Branchenfachwissen) tendenziell dazu führen, dass sie skeptischer und misstrauischer zu werden.

Letztlich wird der Agrarkredit von der Bankenseite nicht mehr als risikoloses Produkt eingeschätzt. Da hilft auch nicht, dass der Berufsstand, mit Blick auf die in der Vergangenheit relativ niedrigen Ausfallquoten, gerne immer wieder das geringe Risiko im Agrarbereich betont.   

Dilemma der investitionsbereiten Landwirtschaft

Auf der anderen Seite benötigen aber gerade die heute noch wettbewerbs- und zukunftsfähigen landwirtschaftlichen Betriebe zunehmend höhere Fremdkapitalanteile (mit häufig oberhalb des Retailsegmentes von einer Million €  liegenden Kreditvolumina) für unternehmerische Wachstumsfinanzierungen. Sie brauchen deshalb Finanzierungspartner, die ihr Geschäft verstehen und damit auch die individuellen landwirtschaftlichen Spezifika zu würdigen wissen.

Beispielsweise reicht das aktuelle Baukostenangebotsspektrum von Biogasanlagenherstellern für eine 500 KW-Anlage mit unterschiedlichen technischen Ausstattungsmerkmalen von rund ein bis zwei Millionen Euro. Das verdeutlicht sehr schnell die Grenzen für rentable Investitionschancen! Hier darf auch nicht verkannt werden, dass es sich trotz eines schnellen Anstiegs des Baus von Biogasanlagen in den letzten Jahren mit ca. 2.500 Anlagen in Deutschland aus Bankensicht doch noch um eine überschaubare Gesamtstückzahl handelt. Die geringe Anlagenanzahl dürfte auch der Grund für die relativ hohen Kosten sein: Die zahlreichen Anlagenhersteller können in ihrer jeweiligen Herstellerkapazität (anders in der Windmühlenindustrie) noch keine nennenswerten Skaleneffekte erzielen. Letztlich dürfte es sich überwiegend noch mehr oder weniger um individuelle Prototypen handeln. 

Kommunikation als zusätzliches Problem

Wenn man mit Landwirten über das Thema „Bank“ spricht, ist häufig deutlich eine gewisse Distanz zu „den Bankern“ zu spüren, obgleich teilweise bereits seit vielen Jahren Geschäftsbeziehungen zu einem Kreditinstitut bestehen. Hartnäckig halten sich alte Vorurteile, bei denen verkannt wird, dass gerade heutige Agrarkreditspezialisten sich mit dem Sektor besonders engagiert verbunden fühlen müssen, um ihren internen Bankkollegen, die diesem Geschäftsfeld möglicherweise ablehnend gegenüber stehen, zu überzeugen.

Das erstaunt zunächst, weil eigentlich davon auszugehen wäre, dass sich geschäftliche Beziehungen auf Dauer nur halten, wenn sie sich auf Basis gegenseitigen Vertrauens zum beiderseitigen Nutzen entwickelt haben. Ist dem in der Landwirtschaft nicht so, oder existiert ein einseitiges Abhängigkeitsempfinden?

Eine jüngere Studie (FiKomM 2005) hat das Verhältnis von Unternehmern des Klein- und Mittelstandes in Deutschland zu seinen Kapitalgebern untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass 79% der Mittelständler eher Zurückhaltung bei der Informationsweitergabe üben (zumeist aus Sorge vor schlechteren Konditionen), aber auch 57% der Befragten gaben an, nicht zu wissen, wie die Kapitalgeber die Informationen nutzen!

Dabei wird verkannt, dass eine gute Finanzkommunikation ein zukünftig entscheidender Erfolgsfaktor wird: Im Wettbewerb können nur die Unternehmer bestehen, die sich den Zugang zu einer optimalen Finanzierung mit günstigen Konditionen dauerhaft sichern. Unternehmen mit Finanzkommunikation haben im Vergleich zu anderen Vorteile: Nämlich „harte“ in Form von besseren Konditionen und besserem Kapitalzugang und „weiche“ in Form von intensiver Unterstützung durch den Kapitalgeber.

Alternative Finanzierungsformen

Unter Finanzierungsgesichtspunkten positiv zu werten bleiben aus der Phase des so genannten „Neuen Marktes“ an den Börsen die wieder interessanteren Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb des klassischen Bankkredites. Diese Möglichkeiten stehen dem Agrarsektor zwar grundsätzlich ebenfalls zur Verfügung, spielen aber bisher kaum eine Rolle. Erst wenn der Marktzugang für Marktteilnehmer außerhalb des Agrarsektors - durch entsprechende Markttransparenz gefördert - potentiell wesentlich erhöht würde, könnten auch hier nennenswerte alternative Finanzierungsvarianten neben dem klassischen Agrarkredit zum Tragen kommen. Beispielsweise ließe sich bei alternativer Verwendungsmöglichkeit eine betrieblich genutzte Immobilie – wie häufig bei ansonsten zu teurer Bankfinanzierung in der Mittelstandsfinanzierung praktiziert – veräußern und anschließend vom Käufer (Investor) mieten bzw. leasen (Sale and lease-back Verfahren). Gerade die in der Landwirtschaft noch oft anzutreffenden hohen Eigenkapitalbestände in der Bilanz (und darüber hinaus gehende mögliche stille Reserven) ließen sich so liquiditätsschonend  und zukunftswirksam nutzen. Gleichzeitig wären, abhängig von der vertraglichen Gestaltung, steuerliche Vorteile für den Investor möglich.

Auch könnte man sich Mezzanine- Kapital (u. a. in Form von stillen Beteiligungen oder die Ausgabe von Genussrechten) vorstellen. Aber auch hier gilt, dass ohne einen gewissen Bekanntheitsgrad Investoren nur sehr schwer zu überzeugen sind, Kapital bereitzustellen. Möglicherweise wird diese durch die neue RMX  Risk Management AG geschaffen. Angedacht wird hier eine Kredithandelsplattform, auf der Grundlage bankenunabhängiger, externer Ratings. Da es sich um eine öffentliche Börse handelt, würden „echte“ Marktpreise - auch für Agrarkredite - schnell für die notwendige Transparenz sorgen.

Ein weiteres, ansonsten durchaus bereits in der Landwirtschaft anzutreffendes Finanzierungsinstrument stellt Fondskapital (Private Equity) dar;  insgesamt könnte es – bei entsprechender Kommunikation – hier ebenfalls durchaus noch zu einem stärkeren „Private-Placement“ in der Landwirtschaft kommen.

Fazit und Ausblick

Aufgrund der dargestellten Entwicklung des Agrarkreditgeschäftes und der Situation bei den Banken einerseits sowie der Besonderheiten dieser Kreditform andererseits, spricht einiges für die eingangs genannte These von der Kapitalverknappung für die Landwirte. Sie ließe sich auch nicht mit dem Argument widerlegen, dass der Agrarstrukturwandel und der parallele Bankenstrukturwandel eben zu einer Marktanpassung führten. Zum einen gibt es in Deutschland bekanntlich keinen unverzerrten, wirklich freien Bankenmarkt. Zum anderen gibt es unschwer zu erkennende, unterschiedliche Abhängigkeiten - nicht zuletzt deshalb, weil Fremdkapital suchenden Landwirten bisher praktisch kaum Alternativen zum klassischen Agrarkredit der Banken zur Verfügung stehen.

Der Agrarkredit bleibt aufgrund der vielfältigen Facetten eine besondere Kreditform und lässt sich nur schwer (bzw. gar nicht) in die gegenwärtige und zukünftig zunehmende Standardisierungspraxis oder –vorstellung von Produkten und Prozessen vieler Kreditinstitute eingliedern. Risikoadäquat  kann dieses Geschäft nur von einer Bank gewürdigt werden, die entweder eigenes (teures) Fach-Know-how vorhält oder bei Bedarf bereit ist, externes Wissen zuzukaufen. Dies kann dazu führen, dass es bereits in wenigen Jahren nur noch ein hierauf spezialisiertes Kreditinstitut (bzw. Kreditinstitutgruppe) gibt, welches den größten Teil des Agrarkreditbedarfes in Deutschland abdeckt (analog z. B. zur Situation in den Niederlanden). Gegenwärtige Ertragserwartungsansprüche der privaten Kreditwirtschaft sprechen für diese Entwicklung.

Wenn man dieses Geschäft „richtig macht“, kann der Agrarkredit für regional und überregional tätige Banken durchaus interessant bleiben oder auch werden. Nicht zuletzt unter strategischen Gesichtspunkten der „Portfoliobeimischung“ zum Kreditbestand wäre der Agrarkredit von Bedeutung.

Investitionswilligen Landwirten, die Wachstumsschritte für den Ausbau ihrer Kosten- und/oder Qualitätsführerschaft finanziert bekommen wollen,  ist zu empfehlen, eine offenere und professionellere Kommunikation zu suchen;  hier kann es sinnvoll sein, sich entsprechenden Expertenbeistand zu sichern, welcher gute Kontakte zu Bankgeschäftspartnern, aber auch zu weiteren Institutionen des Sektors pflegt.

Es gibt heute verlässliche Rahmenbedingungen für die Finanzierung. Die Unternehmer müssen sich allerdings erst an die neuen Spielregeln, u. a. dass sie immer häufiger wie ein normaler Geschäftskunde eingeordnet werden, gewöhnen. Je früher sie das tun, desto eher erhalten sie die Chance, im Wettbewerb zu bestehen.

Aber auch Banken müssen sich stärker öffnen und ihre jeweilige Dienstleistung transparenter anbieten. Nur so kann diese „von außen“ objektiver bewertet und von guten Kunden ausgewählt werden.

Wenn die eingangs zitierte Investitionsbereitschaft sich in tatsächlichen Investitionsmaßnahmen widerspiegeln soll, kann auch die Agrarwirtschaft selbst etwas dafür tun: Durch Bereitschaft zur Vernetzung (aller entsprechenden Akteure) mit dem Ziel der Bereitstellung von sektorspezifischem, bankrelevanten Wissen.

Gerade das ist aber noch eine Zukunftsvision. Vielleicht zwingt der Markt eines Tages dazu, denn ein erstes Wehklagen über finanzierungsunwillige Banken ist durchaus bereits heute im Agrarsektor vernehmbar. Warum sollte es hier auch anders sein, als bei rund 42% aller Unternehmen in Deutschland, die in einer Befragung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW 2005) aufgrund des zügig voranschreitenden Finanzmarktwandels über schlechtere Finanzierungsbedingungen klagen.

Autor: Dipl.-Ing. agr. Gero Nawroth
Geschäftsführender Partner
AGRARCONSULT
Nawroth &Partner Unternehmensberater



© AGRARCONSULT 2006 | Impressum

Homepage